Harry Potter und der Orden des Phoenix
Es wird ernster und ernster. Die fünfte Umsetzung eines Harry-Potter-Buches ist schon fast nur noch Kino-Unterhaltung für Erwachsene.
Die Brücke zur Ernsthaftigkeit
(tsch) Schluss mit dem Kinderkram, mag sich die Autorin J.K. Rowling gedacht haben. "Harry Potter und der Orden des Phoenix" setzt neue Prioritäten. Hier geht es auch, aber nicht mehr nur um eine Horde Kinder, die ihre Position in der Gesellschaft gegen die Erwachsenen zu behaupten versuchen. Das fünfte Buch, sieben werden es insgesamt sein, lässt aus den Hauptfiguren Teenager werden, denen eine wesentliche Bedeutung im Kampf Gut gegen Böse zukommt. Und es fügt der Story politische und religiöse Komponenten hinzu. "Harry Potter und der Orden des Phoenix" ist ein erwachsener Film geworden, der sich demnach auch nicht mehr mit etwaigen Teenager-Abenteuern messen muss, sondern in Konkurrenz zu den großen Fantasy-Epen der letzten Jahre tritt. Keine leichte Aufgabe ...
Harry Potter (Daniel Radcliffe), frisch beim Friseur gewesen, küsst ein Mädchen. Auf den Mund. Zum ersten Mal. Und, man stelle es sich vor, es ist nicht wirklich wichtig. Denn mit einer Teenie-Romanze hat dieser Film rein gar nichts zu tun, und so ist die Mini-Liaison des jungen Zauberers nur eine vernachlässigbare Randnotiz. Gar mehr noch, als es die Buchvorlage tut, konzentriert sich die Handlung im Kino auf die schrittweise Übernahme von Hogwarts durch ein totalitäres Regime. Gerade jungen Zuschauern wird dieser Vorgang einiges abverlangen.
Heiter ist diesmal kaum etwas. Der eine oder andere lustige Moment findet sich. Doch insgesamt geht es erstaunlich ernst zu in diesem fünften Film, der sein Publikum keineswegs mehr nur bei den Kindern haben dürfte. "Harry Potter und der Orden des Phoenix" ist dunkle Unterhaltung für Teenager oder Junggebliebene. Die Wahl des Regisseurs war diesmal entscheidend. "David kann fantastisch mit Schauspielern umgehen, und er hat bewiesen, dass er politische Themen unterhaltsam aufbereiten kann", sagt der Produzent David Heyman über David Yates. Natürlich ist dies hier kein politischer Film im eigentlichen Sinne, und doch geht es um Themen, die das Publikum, sofern es bereit dazu ist, in bisher nicht gekannter Weise fordern.
Zunächst wird Potter gar von Hogwarts verwiesen, da er seine Zauberkräfte verbotenerweise außerhalb der Schule genutzt hat. Es folgt ein Schauprozess, der in seiner Art der Inszenierung durchaus politische Dimension besitzt. Dennoch: Yates übertreibt es nicht, überfordert sein junges Publikum nur selten, weckt aber geschickt das Interesse für "große" Themen wie Gerechtigkeit, Vertrauen und Machtmissbrauch.
Harry Potter und seine Freunde Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) geraten weiter in den Konflikt mit der Obrigkeit. Das Ministerium schickt gar die Professorin Dolores Umbridge (Imelda Staunton) nach Hogwarts, eine Art Vor-Ort-Kontrolleurin der Mächtigen. Was sie dort tut, besitzt zweifellos faschistische Züge. Ein undurchschaubares Regelwerk wird erstellt. Die Krawatten werden fester gezurrt, Zusammenkünfte aller Art werden verboten. Der Unterricht der jungen Zauberer wird umgestellt - es geht nur noch um Theorie, auf die praktische Umsetzung wird verzichtet, um dem Nachwuchs weder Macht noch Mündigkeit zu geben. Wer nicht folgt, wird hart bestraft. Auch körperlich.
Harry Potter ist der Erste, der das zu spüren bekommt. Imelda Staunton drückt dem Film mit ihrer großen Rolle den Stempel auf, schafft sie doch trotz ihrer rosa Kleidung und ihres unansehnlichen Äußeren keine lächerliche Karikatur einer verdorbenen Autorität. Vielmehr strahlt sie, permanent lächelnd, auch eine reizvolle Glaubwürdigkeit aus, die den gesamten Film interessant werden lässt.
Hintergrund von alldem ist die Rückkehr des Schurken Lord Voldemort (Ralph Fiennes), die das Ministerium des Zauberereiministers Cornelius Fudge (Robert Hardy) nicht wahrhaben will. Um für den "Krieg" gerüstet zu sein, bildet sich der Orden des Phönix wieder, dem auch schon Harrys Eltern angehörten. Prominente Figuren aus den vorhergehenden Büchern gehören ihm an. Nicht alle von ihnen werden dieses Abenteuer überleben.
"Harry Potter und der Orden des Phoenix" ist der erste Film der Reihe, der sich entfernt von der bloßen Schwarz-Weiß-Zeichnung von Gut und Böse. Der Preis dafür: Es geschieht über weite Strecken relativ wenig, Actionsequenzen sind rar gesät, 138 dialogreiche Minuten werden es dem sicher jungen Publikum zudem nicht einfach machen, zumal das Erzähltempo nicht gleichmäßig hoch gehalten werden kann. Außenaufnahmen gibt es kaum, heller Tag ist so gut wie nie. Einstmals wichtige Figuren wie der Halbriese Hagrid (Robbie Coltrane) oder die stellvertretende Schulleiterin Minerva McGonagall (Maggie Smith) spielen so gut wie keine Rolle mehr.
Am Ende, das ist klar, läuft es auch diesmal wieder auf die Konfrontation mit Voldemort hinaus, die - keine Überraschung - ja auch mehr oder minder ergebnislos bleibt. So hat "Harry Potter und der Orden des Phoenix" als Film vor allem die Funktion, die beiden sicher spektakuläreren Schlussakte thematisch einzuleiten und - ganz nebenbei - das Publikum mit dem Thema Tod vertraut zu machen, das in den beiden folgenden Büchern von J.K. Rowling eine große Rolle spielen wird.
Für sich allein genommen ist die fünfte Produktion der Reihe sicher nicht die, die am Ende als Film besonders in Erinnerung bleiben wird. Aber sie bildet die Brücke vom kurzweiligen Abenteuer hin zum Epos, als das "Harry Potter" wohl gerne in die Filmgeschichte eingehen würde. Ob sich dieser Anspruch einlösen lässt, wird schon "Harry Potter und der Halbblutprinz" zeigen, der in Deutschland im November 2008 startet. Er wird bekanntlich weitere Liebeleien am Rande, aber auch ein prominentes Todesopfer und Neues zur Lebensgeschichte von Voldemort enthalten.